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So stark steigen die Zulagen für Deutschlands Beamte

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Von Jan DamsChefreporter WELT am Sonntag
Stand: 29.11.2025Lesedauer: 5 Minuten
Collage
In Deutschland gibt es einen regelrechten Flickenteppich an Zulagen für BeamteQuelle: picture alliance/dpa; Getty Images; Montage: Infografik WELT/anna wagner

Das Dickicht an Zusatzzahlungen für deutsche Beamte ist gewaltig. Ein lückenloses Lagebild für alle Bundesländer ist nicht einmal möglich. Manche haben den Überblick über diese Leistungen verloren – es gibt Dutzende Modelle. Der Steuerzahlerbund ruft nach einer Radikalreform.

Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren deutlich mehr für Zulagen und Zuschüsse an ihre Beamten ausgegeben. Das zeigt eine Umfrage von WELT AM SONNTAG bei der Bundesregierung und den 16 Ländern. Die Gesamtausgaben des Bundes für Zulagen und Zuschüsse an Beamte stiegen im Zeitraum von 2014 bis 2023 von 1,17 auf 1,66 Milliarden Euro, wie die Umfrage ergab. Das entspricht einem Plus von fast 42 Prozent.

Rund 112.000 Staatsdiener erhielten eine Zulage in Höhe eines durchschnittlichen Jahresbetrags von rund 3489,77 Euro, hieß es beim Bundesinnenministerium. Insgesamt beschäftigt der Bund rund 201.000 Beamte.

Auch in den meisten Bundesländern sind die Ausgaben für Zulagen und Zuschüsse bei den Beamten deutlich gestiegen. Besonders groß ist das Plus in Berlin: In den vergangenen fünf Jahren legten die Gesamtausgaben der Bundeshauptstadt auf 242,6 Millionen Euro zu. Innerhalb eines halben Jahrzehnts ist das ein Zuwachs von 110 Prozent. Im Zeitraum von 2016 bis 2024 liegt das Plus sogar bei rund 197 Prozent.

Auffällig dabei: Die Ausgaben wurden vor allem mit der Einführung der Hauptstadt-Zulage im November des Jahres 2020 nach oben katapultiert. Diese spezielle Berliner Zulage wurde eingeführt, damit die Landesbehörden im Konkurrenzkampf um Personal mit dem Bund mithalten können.

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Besonders stark sind die Zulagen außerdem in Hamburg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern gewachsen. In der Hansestadt nahmen die Ausgaben für die Beamten im Zeitraum der vergangenen vier Jahre um knapp 85 Prozent zu. In Mecklenburg-Vorpommern waren es den Angaben zufolge seit 2019 rund 45 Prozent und in Rheinland-Pfalz im gleichen Zeitraum rund 30 Prozent. Experten führen die starke Zunahme auch auf den Personalaufbau in vielen Verwaltungen zurück.

Seit Jahren gibt es die Diskussion über eine angemessene Besoldung der Staatsbediensteten. Am Dienstag voriger Woche hatte das Bundesverfassungsgericht aus Sicht der Beamten ein wegweisendes Urteil gesprochen: Die Besoldung vieler Staatsdiener in den Bundesländern ist zu niedrig. Geklagt hatten in den vergangenen Jahren sieben Berliner Beamte, darunter auch Richter. Ähnliche Klagen gibt es auch in anderen Ländern. In der Folge wird der Staat für seine Beamten in den kommenden Jahren mehr Geld aufwenden müssen.

Aus der Sicht von Gregor Thüsing, Professor an der Universität Bonn und anerkannter Experte für Beamtenrecht, gibt es gute Gründe für die Zahlung von Zulagen bei Bund und Ländern: „Die Besoldung ist Teil des verfassungsrechtlichen Treueverhältnisses und damit nicht eine beliebig gestaltbare Vergütung“, sagt er. „Beamte sollen damit ihr Leben auf eine Art und Weise führen können, wie es der Würde des Amtes entspricht.“ Thüsing rechtfertigt Zulagen und Zuschlägen mit den unterschiedlichen Finanzerfordernissen je nach Lebensort: „In München muss ein Beamter mehr verdienen als in Cham, sonst könnte er dort unter Umständen gar nicht leben. Das ist in privaten Firmen häufig ähnlich.“

Der Beamtenbund als Interessenvertretung der Staatsbediensteten verteidigte die erhöhten Zulagenzahlungen im Bund: „Allein im Bereich der inneren Sicherheit, also bei Bundespolizei und Zoll, sind die Anforderungen enorm gestiegen“, sagte dessen Bundesvorsitzender Volker Geyer.

Die Kontrollen von Personen und Waren an den Grenzen seien beispielsweise auf Rekordniveau. „Wo mehr Leute mehr und anspruchsvoller arbeiten, werden für Schichtdienste und Überstunden natürlich auch mehr Zulagen und Zuschläge gezahlt.“

„Vergütungssystem unglaublich anfällig für Schiebereien“

Neben den gestiegenen Ausgaben für Zulagen fällt vor allem eines in der Umfrage auf: Bei einigen Bundesländern scheint der systematische Überblick über ihre umfangreichen Zulagenzahlungen längst abhandengekommen zu sein. Der Freistaat Sachsen etwa sieht sich nicht in der Lage, die Frage nach den Gesamtausgaben für Zulagen zu beantworten. „Zur Ermittlung dieser Angaben wären jeweils umfangreiche maschinelle Datenerhebungen aus dem Bezügeabrechnungsverfahren durch das Landesamt für Steuern und Finanzen erforderlich, die in der Kürze der Zeit nicht realisiert werden können“, hieß es in der Antwort auf einer Liste von insgesamt zehn Fragen.

Aus Brandenburg kam die Auskunft: „Sofern sich die Frage auf die Entwicklung der Gesamtausgaben für Zulagen und Zuschläge im Verlauf der letzten fünf Jahre und zehn Jahre beziehen sollte, ist eine Beantwortung nicht möglich, da hierzu keine statistischen Auswertungen vorliegen.“ Ein weiteres Bundesland verwies darauf, dass es zur Beantwortung der Fragen zunächst seine Software neu programmieren müsse.

Thüsing kritisierte das Durcheinander: „Das Vergütungssystem für Beamte ist schwerfällig, weil es in vielen Bausteinen denkt“, sagt er. „Der Versuch, eine möglichst große Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, macht es noch unübersichtlicher. Und durch die vielen Einzelfallregelungen ist es unglaublich anfällig für Schiebereien.“

Denn in der Realität hängt es auch vom Wohlwollen der Vorgesetzten ab, ob und welche der vielen Zulagen gezahlt werden. Darunter gibt es auch Skurriles: Schleswig-Holstein etwa zahlt neben einer „Zulage für Tätigkeiten an Bord seegehender Schiffe“ noch eine „Zulage für Tätigkeiten im Maschinenraum seegehender Schiffe“. In Niedersachsen gibt es eine „Zulage für vorübergehende Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes“ und eine „Zulage bei befristeter Übertragung herausgehobener Funktionen“.

Insgesamt ergeben sich rund 30 Zulagenarten allein aus den Antworten jener Länder, die reagiert haben. Entsprechend harte Forderungen kommen vom Bund der Steuerzahler. „Der Dschungel aus Zulagen, Zuschlägen und Sonderzahlungen für Beamte muss radikal gelichtet werden“, sagt dessen Präsident, Reiner Holznagel. „Wir brauchen keinen Verwaltungsapparat für den Verwaltungsapparat, um das Zulagenwesen zu managen.“

Der Bund spendiere zum Beispiel immer noch eine Ministerialzulage – ein Relikt aus Zeiten der Weimarer Republik. „Die Kosten summieren sich – vom Pförtner bis zum Staatssekretär – auf knapp 100 Millionen Euro pro Jahr“, kritisiert Holznagel. „Solche Begünstigungstöpfe müssen dringend überdacht werden – der Staatsapparat ist kein Selbstzweck.“

Gregor Thüsing, der im Grundsatz für eine angemessene Besoldung von Beamten ist, hat daher einen anderen, noch radikaleren Vorschlag als Holznagel: „Bis auf wenige Ausnahmen wie Polizei und Bundeswehr bräuchte man heutzutage keine Beamten mehr“, sagte er. „Man könnte das Beamtentum weitgehend abschaffen.“

Jan Dams ist Chefreporter WELT AM SONNTAG.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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