Mit Extremisten kann es keine Zusammenarbeit geben», verkündete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede zum 9. November, in der er sich noch nicht einmal um den Anschein bemühte, wie ein überparteiliches Staatsoberhaupt zu klingen. Denn in seiner Ansprache machte er klar, dass er mit «Extremisten» ausschliesslich die AfD und ihr Umfeld meint. In diese von den linken Parteien und vielen Medien mit grossem Wohlwollen aufgenommene staatsoffizielle Erzählung platzt nun die Bemerkung der Neuköllner Integrationsbeauftragten Güner Balci, Islamisten hätten in Berlin «Teile der Politik und auch der SPD und der Verwaltung unterwandert». 

 

Begriffe verwerflicher als Taten

Für Balcis Urteil gab es einen konkreten Anlass: die Demontage des Neuköllner Bürgermeisters Martin Hikel durch den linken Flügel seiner eigenen Partei. Hikel sprach mehrfach das Thema Clankriminalität an und weigert sich, den Kampfbegriff «antimuslimischer Rassismus» zu benutzen, der im linken Milieu dazu dient, jede Kritik am politischen Islam und an der fehlgeleiteten Migrationspolitik zu skandalisieren. Schon der Begriff «Clankriminalität» gilt bei Jusos und sonstigen Parteilinken als «rassistisch» und damit verwerflicher als das Phänomen, das er bezeichnet. Zur Strafe für Hikels Weigerung, sich dem Sprachregime zu unterwerfen, statteten ihn seine Genossen bei der Nominierung für die kommende Wahl mit einem derart schlechten Ergebnis aus, dass der Kommunalpolitiker erklärte, nicht wieder für das Amt zu kandidieren. 

 

Wohlwollen für die Grauen Wölfe

Berlins SPD-Führung wies Balcis Vorwurf der islamistischen Unterwanderung sofort hell empört und pauschal zurück. Den SPD-Spitzen geht es darum, die Debatte gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn sie wissen selbst sehr gut, dass ihre Partei seit Jahren die Nähe von Extremisten sucht und findet, wenn es ihr nützt. Und zwar nicht nur in Berlin. Die Grauen Wölfe bilden laut Bundeszentrale für politische Bildung «die grösste rechtsextreme Organisation in Deutschland», auch bekannt als Ülkücü-Bewegung. Sie beziehungsweise ihr politischer Dachverband ATIB stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. 

In ihren Anfangszeiten in der Türkei verübten die Grauen Wölfe zahlreiche politische Morde. Heute bemüht sich die Organisation in der Türkei und in Ländern mit grosser türkischer Gemeinde zum einen um Einfluss auf Moscheen unter ATIB-Regie, zum Zweiten aber auch um einen Anteil an der politischen Macht. Die Bewegung, die extremen türkischen Nationalismus, aggressive Judenfeindlichkeit, Verachtung gegenüber Aleviten und Kurden und radikalislamische Überzeugungen verbindet, knüpfte in den vergangenen zehn Jahren ein enges Beziehungsnetz zu SPD-Politikern. In der Partei, die angeblich jeden Extremismus ablehnt, stossen die Grauen Wölfe, aber auch andere radikalislamische Organisationen auf ausdrückliches Wohlwollen, das oft weit über Gespräche hinausreicht. 

Im baden-württembergischen Filderstadt stellten die Sozialdemokraten 2024 drei Kommunalwahl-Kandidaten aus dem Ülkücü-Umfeld auf; in der gleichen Stadt besuchte der SPD-Bundestagsabgeordnete und heutige Verteidigungs-Staatssekretär Nils Schmid eine Veranstaltung mit Mitgliedern der Grauen Wölfe, genauso wie die SPD-Oberbürgermeister der Städte Mühlheim, Remscheid und Hamm in Nordrhein-Westfalen (NRW). Dringt etwas davon nach aussen, folgt immer das gleiche Spiel: In Filderstadt bestritt die Partei erst rundheraus alle Vorwürfe gegen die drei Bewerber. Dann hiess es, es gebe natürlich einen Unvereinbarkeitsbeschluss zwischen SPD und Grauen Wölfen – aber die in Rede stehenden Deutschtürken auf ihrer Wahlliste gehörten der Partei ja gar nicht an. Erst, als sich auch überregionale Medien für den Fall interessierten, liess die SPD die Kandidaten fallen. Der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid wiederum verteidigte sein Treffen erst mit dem Argument, man dürfe «den Gesprächsfaden nicht abreissen lassen, nur wer zuhört, findet auch selbst Gehör». Später bezeichnete er den Besuch als «Fehler», was so klang, als hätte er nicht genau gewusst, mit wem er eigentlich am Tisch sass. 

Nach dem gleichen Muster rechtfertigte sich auch der Oberbürgermeister von Hamm: Er habe nicht geahnt, dass es sich bei der Feier, die er besuchte, um den Geburtstag einer prominenten Figur aus dem Umfeld der Grauen Wölfe handelte. In keinem Fall folgten irgendwelche innerparteilichen Sanktionen, anders als bei Hikel – und erst recht anders als bei einem SPD-Politiker, der sich mit AfD-Vertretern treffen würde. In diesem Fall wäre ein Parteiausschlussverfahren nur noch Formsache. Für die Beziehungen der Sozialdemokraten zu Islamisten gilt der Satz frei nach Lenin: Zwei Schritt vor und im Fall zu grosser öffentlicher Aufmerksamkeit einen taktischen Schritt zurück. 

 

Tiefverwurzelte Schwulenfeindlichkeit

Es bleibt nicht bei diskreter Freundlichkeit auf persönlicher Ebene. In Hamburg verhinderte die regierende SPD jahrelang die Schliessung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), das der Verfassungsschutz schon ab 1993 in den Blick nahm. Beim IZH handelte es sich um einen nur notdürftig kaschierten Aussenposten des Mullah-Regimes in Teheran. Das Zentrum half wesentlich dabei, den «Quds-Tag» in Deutschland zu etablieren – jährliche Aufmärsche von Muslimen, die dazu auffordern, Jerusalem unter islamische Herrschaft zu bringen und Israel zu zerstören. Erst im Juli 2024 schlossen die Behörden das IZH. 

Die harmonische Nähe zu den radikalen türkisch-islamischen Organisationen zahlt sich bei Wahlen aus: Der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh, bekannt für Kontakte zum Dachverband der Grauen Wölfe und zum Umfeld von Milli Görus, dem türkischen Ableger der Muslimbrüder, gewann seit 2017 seinen Wahlkreis in Wuppertal jeweils direkt. Marc Herter, Oberbürgermeister von Hamm, schnitt bei den Kommunalwahlen in NRW mit einem für die SPD sensationellen Ergebnis von 63 Prozent ab. Der innerparteilichen Karriere der Hamburger SPD-Politikerin Aydan Özoguz schadete es nicht, dass sie das IZH besuchte, Polizeirazzien bei einer salafistischen Organisation kritisierte und sich gegen ein generelles Verbot von Kinderehen aussprach. Auf der anderen Seite erlebte der damalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert aus den eigenen Reihen heftige Schmähungen und wenig Beistand, als er auf die tiefverwurzelte Schwulenfeindlichkeit unter muslimischen Jugendlichen hinwies. Dass er damit weitgehend allein dastand, dürfte seinen Rückzug aus der Politik beschleunigt haben. 

Mit dieser Strategie sammelt die SPD Stimmen im Milieu erzkonservativer deutscher Muslime ein, die zwar mit ihren Ansichten zu Juden, Homosexuellen und Frauenrechten in der Regel gegen alles stehen, was die Partei offiziell predigt, sich aber im Wahllokal taktisch verhalten: Sie kreuzen bei der Partei an, die ihnen unter der Hand Entgegenkommen verspricht. In das Bild fügte sich auch, dass die von der SPD aufgestellte (und schliesslich gescheiterte) Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht erklärte, sie könnte sich deutsche Richterinnen mit Kopftuch sehr gut vorstellen. 

 

Nähe zu Hamas-Unterstützern

So geheim ist das schmuddelige Geheimnis der SPD gar nicht, obwohl die Partei selbst es beschweigt und die meisten Medien es kleinhalten: Wenn es um Stimmen geht, koalieren die Sozialdemokraten nicht nur mit der in weiten Teilen extremistischen Linkspartei, die ihrerseits in Berlin aus ihrer Nähe zu Hamas-Unterstützern keinen Hehl macht. Bei vielen Sozialdemokraten gibt es eben auch kaum Hemmungen gegenüber radikalen und extremistischen Islamorganisationen, wenn sie dabei helfen, die Wählerschaft der weit nach unten abgerutschten Partei einigermassen zu stabilisieren. Nach dieser Seite existiert ausdrücklich keine Brandmauer, sondern reger Durchgangsverkehr. 

Der Kampf gegen die AfD dient auch dazu, nur die Weidel-Partei mit dem Begriff des Extremismus zu verbinden und über alles andere einen blickdichten Schleier zu legen. Das macht die aus der SPD immer wieder erhobene Forderung nach einem AfD-Verbot nicht nur zu einem autoritären Vorgang – sondern auch zu einem Gipfel der Heuchelei.

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