Streit in der Union

Junge Gruppe lehnt Rentenpaket ab – Schwarz-Rot steuert auf tiefe Krise zu

Von Nikolaus Doll, Rixa Fürsen, Robert Tannenberg
Stand: 17:19 UhrLesedauer: 7 Minuten
dpatopbilder - 01.12.2025, Berlin: Johannes Winkel (2.v.r.), Vorsitzender der Jngen Union (JU), Johannes Volkmann (r), CDU-Bundestagsabgeordneter, Wiebke Winter (l), Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Bremen, und Jessica Steiner, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, kommen zur Sitzung des CDU-Bundespräsidiums im Konrad-Adenauer-Haus. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Johannes Winkel (2.v.r.), Vorsitzender der Jungen Union (JU), Johannes Volkmann (r.), Wiebke Winter (l.) und Jessica SteinerQuelle: Kay Nietfeld/dpa

Die wohl entscheidende Woche für die umstrittene Rentenreform läuft. Unions-Fraktionschef Spahn erinnert an Absprachen mit der SPD. Auch CDU-Generalsekretär Linnemann warnt die „Renten-Rebellen“. Doch die Junge Gruppe hält das Paket weiter nicht für zustimmungsfähig.

Die Junge Gruppe der Union im Bundestag hält die Rentenpläne der Regierung weiter „für nicht zustimmungsfähig“. Bei dieser inhaltlichen Position bleibe es, hieß es in einer am Montag verbreiteten Erklärung.

Die schwarz-rote Koalition steuert damit auf eine tiefgreifende Krise zu. Denn aufgrund der Ablehnung der Jungen Gruppe gibt es für den Gesetzentwurf von Sozialministerin und Co-SPD-Chefin Bärbel Bas – Stand jetzt – keine Mehrheit für das Gesetz. Bas macht am Montag eine Verabschiedung des Gesetzes zur Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit mit der Union: „Das ist wichtig, insbesondere natürlich für den Fortbestand der Koalition, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass wir kaum noch andere Gesetzgebungen, wenn das jetzt scheitert, durchs Parlament bringen“, erklärte die Ministerin.

Mit Blick auf die in dieser Woche geplante Abstimmung im Bundestag werde jedes Mitglied der Jungen Gruppe für sich entscheiden, wie es abstimmen werde – auch mit Blick „auf den Koalitionsfrieden und die weitere Regierungsarbeit“, heißt es in der Erklärung der Jungen Gruppe. Der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, sagte WELT dazu: „Der Brief soll zum Ausdruck bringen, dass wir inhaltlich sehr geschlossen stehen. Klar ist aber auch, dass jeder Abgeordnete seine Entscheidung für sich treffen muss.“

Zuvor hatte die Partei- und Fraktionsspitze in den vergangenen Tagen starken Druck auf die Abgeordneten ausgeübt, ihren Widerstand aufzugeben. Der Appell an die Abgeordneten sei „freundlich, aber klar gewesen“, sagte ein Mitglied der Fraktionsspitze. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte nach der Sitzung des Parteipräsidiums und des Bundesvorstands am Montagvormittag die Renten-Rebellen vor einem Schaden für die Koalitionsregierung gewarnt.

Es gehe am Ende auch um eine Abwägungsfrage, sagte er nach Beratungen der Führungsspitze seiner Partei in Berlin. Sollte das von Union und SPD geplante Rentenpaket im Bundestag scheitern, werde es schwierig mit der Zusammenarbeit in der Koalition. Es gebe sogar schon Diskussionen bis hin zu einer Minderheitsregierung. Deutschland werde so nicht vorankommen. Auch die SPD hatte zuvor auf Koalitionstreue gepocht.

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„In der Abwägung finde ich es richtig, dass wir dieses Paket jetzt auf den Weg bringen“ und man im nächsten Jahr in einer Rentenkommission die Strukturreformen angehe, sagte Linnemann weiter. Auf die Frage, ob eine solche Rentendebatte den Wahlkämpfern in den 2026 anstehenden Landtagswahlen schade, antwortete er: „Wir haben nächstes Jahr fünf Landtagswahlen. Wir können aber jetzt nicht Rücksicht nehmen, nur weil bestimmte Wahlen sind, dass wir hier keine Reformen machen. Und deshalb müssen wir sie angehen.“

18 junge Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag stemmen sich gegen das Rentenpaket, weil ein Rentenniveau von 48 Prozent über 2031 hinaus ihrer Meinung nach zu hohe Kosten verursachen würde. Ein Teil ihrer Stimmen wird benötigt, um eine eigene Mehrheit der Koalition zu sichern. Die schwarz-rote Koalition hat eine Mehrheit von zwölf Stimmen.

Die Koalitionsspitzen haben ausgeschlossen, den Gesetzentwurf noch zu verändern. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte mehrfach erklärt, „guten Gewissens“ für das Gesetz stimmen zu wollen. Die Abstimmung im Bundestag ist für Freitag geplant.

Die Partei- und Fraktionsspitze folgt Merz bei seiner Linie. Nicht unbedingt, weil man inhaltlich vom Rentengesetz überzeugt ist, sondern weil es so mit der SPD vereinbart wurde. „Die CDU ist eine vertragstreue Partei“, sagte ein Präsidiumsmitglied nach der Sitzung des Gremiums. Die Christdemokraten fürchten, im Fall eines Renten-Konflikts auf Widerstand der SPD bei der Bürgergeld-Reform und weiteren Maßnahmen zur Begrenzung der Migration zu stoßen.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel (CDU), hatte in der Sitzung des CDU-Bundesvorstands am Montagvormittag laut Teilnehmerkreisen seine Ablehnung des Gesetzes bekräftigt. Er kritisierte das Gesetzgebungsverfahren und den Umstand, dass den Abgeordneten nicht klar gewesen sei, dass das Vorhaben für die SPD alternativlos sei. Der Zuspruch für Winkel im Bundesvorstand war laut WELT-Informationen gering. Vier weitere junge Vorstandsmitglieder stärkten dem Chef der Parteijugend den Rücken; die übrigen Wortmeldungen waren keine Unterstützung für die jungen Abgeordneten.

Inhaltlich teilen zwar viele in der Union Winkels Sicht. Doch die Partei- und Fraktionsspitze fürchtet im Fall einer Ablehnung des Gesetzes einen Bruch der Koalition. „Es ging in der Debatte im Bundesvorstand vor allem um die Frage, ob man jetzt inhaltlich argumentiert oder ob staatspolitisch“, sagte eine Teilnehmerin. Sprich: ob man aufgrund des Streits um die Rente das Auseinanderfallen des Regierungsbündnisses riskieren solle.

„Wir können keine Regierungskrise in Deutschland gebrauchen“

Unions-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn drang am Sonntag noch auf eine Zustimmung der jungen Abgeordneten zum Rentenpaket. „Die Mehrheit ist im Werden“, sagte Jens Spahn bei „Caren Miosga“. Seine Aufgabe sei es, eine Mehrheit zu organisieren. Und er sei zuversichtlich. Es gehe jetzt um das „Mannschaftsspiel“. Das Rentenpaket sei für den Koalitionspartner SPD entscheidend, und die Koalition müsse stabil bleiben.

Die Spitzen der drei Regierungsparteien wollen eine Zustimmung, weil das vor allem von der SPD gewünschte Haltelinien-Gesetz nur ein Teil eines Rentenpakets ist. Die CSU will darin die weitere Erhöhung der Mütterrente durchsetzen, die CDU die Aktivrente für freiwilliges Arbeiten über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus sowie eine sogenannte Frühstartrente für den Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung.

Linnemann verwies wie zuvor CDU-Chef Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn darauf, dass 2026 dann ohnehin eine große Rentenreform kommen müsse. Es gebe dabei „null Komma null Vorfestlegungen“. Man wolle erreichen, dass die Rentenkommission völlig frei agieren könne und keine Denkverbote habe. Danach müsse die Koalition zeigen, ob sie den Mut habe, umfassende Reformen auch zu beschließen. Er rechne aber damit, weil es keine Alternative gebe.

Woche der Entscheidung

Zunächst steht aber eine heikle Abstimmung am Dienstagnachmittag an. Da kommt die Unionsfraktion zusammen. Bei dieser Gelegenheit soll nicht nur erneut über den Rentenentwurf diskutiert werden: Geplant ist außerdem eine Probeabstimmung. Im Nachgang soll sich dann jedes Fraktionsmitglied, das gegen den Gesetzentwurf gestimmt, noch einmal dazu erklären. Das ist vorgesehen, damit die Fraktionsspitze mit den entsprechenden Abgeordneten weitere Gespräche führen kann.

Bis Mittwoch muss klar sein, ob die Union zum Rentenentwurf steht, denn bereits am Donnerstag oder Freitag soll das Gesetz nach zweiter und dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden; der Freitag gilt als wahrscheinlicher. Am 19. Dezember könnte dann der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres über das Gesetz abstimmen und den Weg für ein Inkrafttreten am 1. Januar 2026 machen.

In der SPD-Fraktion hat man die erneute Ablehnung der Jungen Gruppe zur Kenntnis genommen, liest die Stellungnahme aber anders, als es in der Union der Fall ist. Der Abschlussabsatz der Erklärung lautet: „Allen frei gewählten Abgeordneten kommt eine eigene staatspolitische Verantwortung zu. Diese umfasst Rücksicht auf den Koalitionsfrieden und die weitere Regierungsarbeit in anderen wichtigen Politikfeldern und die Bewertung des Erreichten.“ Das sei der Hinweis darauf, die Koalition nicht platzen lassen zu wollen, heißt es in der SPD-Fraktion. Untermauert werde das durch den letzten Satz, in dem es heißt, dass „vor diesem Hintergrund … jedes Mitglied der Jungen Gruppe die Argumente abwägen und eine Entscheidung treffen“ werde. Sprich: Es gibt keinen Gruppenzwang; die Wahrscheinlichkeit, dass nicht alle 18 jungen Unionsabgeordneten gegen das Gesetz stimmen, ist damit vorgezeichnet.

Von Junge-Union-Chef Winkel ist bekannt, dass er gegen das Gesetz stimmen wird. Im Fall der Junge-Gruppe-Mitglieder Catarina dos Santos-Wintz und Philipp Amthor, die Fraktions- beziehungsweise Regierungsämter haben (Parlamentarische Geschäftsführerin beziehungsweise Staatssekretär), wird damit gerechnet, dass sie dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Andere haben sich noch nicht festgelegt. Die Bundestagsabgeordnete Anna Aeikens sagte WELT: „Die Haltung der Jungen Gruppe trage ich voll mit. Als jüngste Abgeordnete ist es mir wichtig, dass unsere Entscheidung am Freitag generationengerecht und zukunftsfähig ist. Mein persönliches Votum wäge ich bis dahin sehr genau ab.“

mit dpa