Den skurrilsten Kommentar zur Rentenreform las ich im Spiegel. Der Titel lautete: «Rentenrebellen, es reicht!» Er forderte, jede Opposition gegen das Rentenpaket der Regierung zu unterlassen.

Skurril war die Begründung. Über eine in der Rentenfrage zerstrittene Regierung, so der Kommentar, freue sich niemand, und jetzt kommt’s, «ausser Russlands Herrscher Wladimir Putin, der sich über nichts mehr freuen würde als über ein Deutschland, in dem sich die Regierenden gegenseitig zerfleischen».

Aha. Man beschliesst also ein 500 Milliarden Euro schweres Rentenpaket, für das die Mittel fehlen. Aber Hauptsache, Putin freut sich nicht.

Nun frage ich mich, ob Putin tatsächlich nichts Besseres zu tun hat, als atemlos die politische Debatte um deutsche Renten zu verfolgen und sich wie ein Verrückter zu freuen, wenn es dabei unterschiedliche Meinungen gibt.

Interessant daran ist, dass wir damit einen schönen Einblick in die Mechanik der Medien bekommen. Journalismus bedeutet, aus jeder Sachfrage eine Personalfrage zu machen. Schon im ersten Semester in der Journalistenschule wird den Studenten beigebracht, nicht über langweilige Renten zu schreiben, sondern besser über diesen Putin, über den sich so viele aufregen. Ebenso falsch ist es, über den langweiligen Ukraine-Krieg zu schreiben. Besser, man schreibt über diesen Trump, über den sich so viele aufregen.

Zweite Regel: Man muss bei dieser Personalisierung den politischen Akteuren unlautere und egoistische Motive unterstellen. Mit einer kleinen Einschränkung im Kodex allerdings: Unlautere und egoistische Motive stehen nur dann im Vordergrund, wenn der Akteur im konservativen Lager steht.

Besonders schön kann man das bei US-Präsident Donald Trump darstellen. Ging es Trump mit seinen Friedensplänen für Gaza und in der Ukraine etwa darum, das sinnlose Töten zu beenden? Nein, wo denken Sie hin. Es geht ihm nicht um Gaza und die Ukraine, es geht ihm nur um Trump.

«Der Durchbruch in Nahost kommt ihm gerade recht», schreibt etwa die Frankfurter Allgemeine über Trump, als ob der Waffenstillstand ohne sein Zutun vom Himmel gefallen wäre. Und warum kommt er gerade recht? «Der US-Präsident», so die FAZ, «beansprucht den Nobelpreis für sich.»

«Was will Donald Trump in der Ukraine?», fragt die «Tagesschau». Die Antwort: «Blick auf den Friedensnobelpreis». Die Zeit wiederum titelt zu Trump und der Ukraine: «Und was springt für mich dabei raus?» Die Antwort: «Trump selbst sieht das so, dass er den Friedensnobelpreis verdient.»

Trump, so lernen wir, will nicht Frieden, er will etwas anderes. Er will diese Medaille mit dem Porträt von Alfred Nobel, mit der Inschrift «Pro pace et fraternitate gentium», bestehend aus 18-karätigem Grüngold mit einer 24-karätigen Goldbeschichtung und einem Gewicht von 175 Gramm.

Da gibt es denn nur noch eine offene Frage: «Trump oder Putin: Wer hat das grössere Ego?», fragt sich der Spiegel.

Das Prinzip gilt durch die Bank. Wenn rechtsbürgerliche und konservative Politiker agieren, dann tun sie das nicht für ihr Land oder ihre Wähler, nein, dann tun sie das ausschliesslich für sich selbst, also für ihr egozentrisches Ego.

Wenn Ungarns Viktor Orbán nach Moskau reist, weil sein Land von russischem Gas abhängig ist, dann tut er das nicht im Interesse seines Landes. Nein, dann ist das «Orbáns Egotrip», wie «ZDF heute» weiss. Wenn CSU-Chef -Markus Söder die deutsche Finanzpolitik kritisiert, dann tut er das nicht im Interesse seines Bundeslandes. Nein, dann ist er «auf dem Egotrip», wie der Spiegel weiss. Und ja, eh wir’s vergessen, Russlands Wirtschaft wächst nur langsam wegen «Putins Egotrip», wie Focus weiss.

Dem sagt man Meinungsjournalismus. Das wichtigste Element dabei ist nicht der Sachverhalt, sondern die politische Position und die Ideologie des Journalisten. Der Journalist, in aller Regel linksorientiert, beschreibt nicht die Welt, er belehrt die Welt. Der -frühere Zeit-Chefredakteur Roger de Weck sagte es in einem Interview so: «Der Berichterstatter ist wichtiger als der Gegenstand der Berichterstattung.»

Und warum ist das so? Antwort de Wecks: «Viele Journalisten sind auf dem Egotrip.»

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